„Bei mir brennt manchmal um neun Uhr abends noch das Licht“

Carola Gündel koordiniert den Ehrenamtlichen Dienst im Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf. Seit Jahrzehnten macht sie sich im Bezirk für das bürgerschaftliche Engagement stark. Ein Gespräch über ihre langjährige Arbeit und ein aktuelles Projekt für Flüchtlinge. Die Fragen stellte Julia Lehmann.

Carola Gündel leitet den Ehrenamtlichen Dienst im Bezirksamt Charlottenburg-WilmersdorfWie und wo ist Ihre Arbeit strukturell eingebettet?

Wir gehören zum Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf. Dort gibt es das Amt „Kulturelle Seniorenbetreuung“, das in der Abteilung für Gesundheit und Soziales angesiedelt ist. Zu dem Amt gehört auch der Ehrenamtliche Dienst, den ich koordiniere. Ich selbst bin Diplom-Sozialpädagogin und habe noch eine Mitarbeiterin und einen Mitarbeiter, die mich in der Verwaltungsarbeit unterstützen.

Was gehört dort zu Ihren Aufgaben?

Zum einen der Aufbau der sogenannten Sondersozialkommissionen, in denen sich Menschen offiziell als Ehrenamtliche des Bezirks registrieren lassen können und dann im jeweiligen Themenbereich aktiv werden. Außerdem die Werbung neuer Ehrenamtlicher, der ganze Bereich der Anerkennungskultur, Workshops und Fortbildungsveranstaltungen.

Auch die Koordination von Teamsitzungen, das Kontakthalten mit den Ehrenamtlichen vor Ort und die Pflege der Homepage gehören zu meinen Aufgaben. Wir nehmen an Arbeitsgruppen und Runden Tischen auf kommunaler und Landesebene teil, zum Beispiel in der Senatsverwaltung, in der Senatskanzlei und im Abgeordnetenhaus.

Wir sind Mitglied in der LAGFA und im Landesnetzwerk „aktiv in Berlin“. Daher geht es bei uns viel um den Aufbau von Netzwerken und Kooperationen und in der Flüchtlingsarbeit um den Austausch mit Willkommensbündnissen, Betreibern von Flüchtlingsheimen und verschiedenen Organisationen. Dann wäre da noch die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Also eigentlich alles rund ums Ehrenamt. Wir haben 530 Ehrenamtliche und über 20 Projekte.

Wie gewinnen Sie Menschen für das Ehrenamt?

Wenn man Ehrenamt und Charlottenburg-Wilmersdorf im Internet sucht, landet man eigentlich gleich auf unserer Homepage. Darüber hinaus haben wir seit 16 Jahren eine eigene Freiwilligenagentur, wo man sich online informieren und registrieren kann. Da wir im täglichen Austausch sind, können wir sofort mit den Interessenten Kontakt aufnehmen und zur persönlichen Beratung einladen.

Wir arbeiten auch eng mit der Berliner Woche und der BZ zusammen, wo wir Aufrufe starten oder gezielt nach Leuten suchen. Das klappt alles insgesamt eigentlich sehr gut. Darüber hinaus machen wir auch viele öffentliche Events, wie jetzt zum Bespiel die jährliche Dankesfeier im Wintergarten Varieté, an der fast 500 Ehrenamtliche teilnehmen. Es gibt ein großes Straßenfest, den „Tag des Ehrenamtes“ und die Berliner Seniorenwoche. Mit Informationsständen sind wir auch auf kleineren Kiezfesten vertreten.

Wer engagiert sich bei Ihnen?

Unser Angebot ist so vielfältig, dass eigentlich für alle etwas dabei ist. In der Arbeit mit Flüchtlingen engagieren sich zum Beispiel Studierende, Anwohner und pensionierte Lehrerinnen. Oder auch Menschen, die ihre berufliche Qualifikation einbringen oder einfach einen Teil ihrer freien Zeit für Andere zur Verfügung stellen möchten. Aber egal wer zu uns kommt, wir versuchen immer passende Tätigkeiten zu finden. Wer mag, kann auch gerne erstmal reinschnuppern. Oft landen Ehrenamtliche dann auch ganz woanders als sie ursprünglich dachten, weil es ihnen beispielsweise bei der Gartenarbeit so gut gefällt. Sollten wir einmal nichts Passendes finden, dann vermitteln wir an unsere Partner, die vor allem in Charlottenburg-Wilmersdorf angesiedelt sind.

Mit welchen Partnern arbeiten Sie genau zusammen?

Das sind viele. Man findet sie auf unserer Website. Sie werden vorher auf Herz und Nieren geprüft, denn uns interessiert vor allem, welches Verständnis vom Ehrenamt sie haben, ob es Ansprechpartner gibt, Erfahrungsaustausch angeboten oder eine Aufwandsentschädigung gezahlt wird und wie es mit dem Versicherungsschutz aussieht.

Wie genau sieht die Arbeit mit den Flüchtlingen bei Ihnen aus? Engagieren sich die Ehrenamtlichen regelmäßig oder nur punktuell?

Das ist unterschiedlich. Ich führe mit jedem Interessenten ein ausführliches Bewerbungsgespräch, fülle gemeinsam mit den Interessierten den Personalfragebogen aus und hole auch ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis ein. Die Ehrenamtlichen bekommen dann einen Ausweis, mit dem sie sich vor Ort beim Wachschutz oder auch bei Ausflügen ausweisen können. Die meisten engagieren sich regelmäßig ein- oder zweimal in der Woche, indem sie zum Beispiel Bauchtanz, Yoga- Kurse, Hausaufgabenbetreuung, Bastelgruppen, Ausflüge oder Nähkurse anbieten oder sich um einzelne Familien kümmern. Es ist auch wichtig, das alles gemeinsam mit der Heimleitung zu koordinieren. In einem Flüchtlingswohnheim sind zurzeit 45 Ehrenamtliche aktiv. Da muss man schon den Überblick behalten.

Wie ist Ihr Ansatz?

Wir wollen vor allem für die Flüchtlinge da sein und sie unterstützen, hier anzukommen und sich zurechtzufinden. Durch unsere Arbeit soll auch das Miteinander in den Unterkünften verbessert werden, einfach weil man sich durch gemeinsame Aktivitäten kennenlernt und Kontakte knüpft. So hat sich durch die Aktivitäten mit unseren Ehrenamtlichen schon viel verbessert.

Erarbeiten Sie Projekte auch mit den Flüchtlingen zusammen?

Im Moment noch nicht, da die Flüchtlinge noch keine Vorstellung von den Möglichkeiten vor Ort haben. Wir bieten daher vor allem das an, was die Ehrenamtlichen an Potenzialen mitbringen. Dabei achten wir vor allem darauf, dass man für die Teilnahme keine guten deutschen Sprachkenntnisse braucht, wie zum Beispiel bei Yoga oder Bauchtanz. Wir haben jetzt auch mit Schwimmkursen und Fahrradverkehrskursen für junge Flüchtlinge angefangen. Bis jetzt kamen noch keine Wünsche von den Flüchtlingen, aber wir sind da offen und könnten schauen, was umsetzbar wäre.

Wie gehen Sie mit möglichen Sprachbarrieren um?

Wir bieten selber sieben Sprachen durch unsere Ehrenamtlichen an, die in die jeweilige Sprache übersetzen können. Wenn Übersetzen oder Dolmetschen benötigt wird, dann klappt das eigentlich auch wie bei unserer Rechtsberatung, wo wir die Termine vorher absprechen.

Wie sieht ein typischer Tag für Sie aus? Mit welchen Herausforderungen sehen Sie sich konfrontiert?

Typische Tage gibt es nicht, denn allein durch die Sprechstunden und vielen Außentermine gestaltet sich jeder Tag anders. Fast die Hälfte meiner Arbeitszeit verbringe ich mit Telefonaten und der Beantwortung von E-Mails. Das hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Dazu kommt, dass jedes Projekt anders ist. Besonders wichtig sind der regelmäßige Kontakt zu den Projekten, die Teamsitzungen und meine Teilnahme in der Gremienarbeit. Nach hektischen Tagen komme ich erst abends zum Aufarbeiten und dann kommt es schon vor, dass um neun Uhr abends in meinem Büro noch das Licht brennt.

Wie sind Sie strukturell und finanziell ausgestattet?

Wir sind personell auf jeden Fall nicht ausreichend ausgestattet, aber das ist ja nichts Neues. Alle sprechen davon, dass die Bedeutung des ehrenamtlichen Engagements in unserer Gesellschaft enorm zugenommen hat und betonen, wie gut sie unsere Arbeit finden. Ich würde mir mehr Anerkennung in Form von der Bereitstellung größerer personeller Ressourcen wünschen.

Wie sieht es mit der langfristigen Planung aus? Wissen Sie, wie Sie in der Zukunft finanziert sein werden?

In Charlottenberg-Wilmersdorf steht der Ehrenamtliche Dienst auf ganz festen Füßen. Das liegt daran, dass wir kontinuierlich immer wieder die Bedeutung unserer Arbeit in der Verwaltung betont und gute Erfolge vorgezeigt haben. Was die Aufnahmekapazitäten von neuen Ehrenamtlichen und den Aufbau neuer Projekte angeht, gibt es eigentlich keine Beschränkungen. Daran wird sich auch nichts ändern.

Was motiviert Sie persönlich?

Grundsätzlich ist es die Liebe zum Menschen. Ich bin eigentlich mit dem Ehrenamt aufgewachsen. Meine Mutter ist mit 89 Jahren immer noch ehrenamtlich aktiv und das soziale Engagement wurde bei uns immer groß geschrieben.

Egal wo man sich engagiert, auf jeden Fall bekommt man sehr viel zurück und es entstehen wunderbare menschliche Kontakte. Durch die oft langjährige Verbundenheit zu vielen Ehrenamtlichen nimmt man auch ein Stück an ihrem Leben teil, erfährt von ihren Schicksalsschlägen und kann dann auch in schwierigen Zeiten helfen und unterstützen. Das gibt einem selbst ein hohes Maß an Zufriedenheit und Sinngebung.

Foto: privat

April 2015

 

Verwandte Themen im Magazin – Themenreihe „Engagement von und für Geflüchtete(n)“

„Unsere Probleme lassen sich nur politisch lösen“

Willkommenskultur für Geflüchtete von unten

„ich finde es immer schwierig, soziale Arbeit ohne eine politsche Dimension zu machen“